Loving Vincent (2017)
„Every frame a painting“
… und zwar im wahrsten Sinne! Ursprünglich als Kurzfilm konzipiert, erkannten die Regisseure Dorota Kobiela und Hugh Welchman schnell das Potenzial von LOVING VINCENT und so mutierte das Projekt zum Spielfilm. Sechs lange Jahre dauerte die Fertigstellung der polnisch-britischen Co-Produktion, bei dem 65.000 Gemälde von 125 Malern gemalt und durch die ständigen Variationen Strich für Strich zum Leben erweckt wurden. Für eine Sekunde Film brauchte man zwölf Gemälde. Doch hat sich diese enorme kreative Manpower auch bezahlt gemacht?
Seit einem Jahr ist der berühmte Maler Vincent van Gogh (Robert Gulaczyk) tot, da erhält der junge Armand Roulin (Douglas Booth) von seinem Vater, dem Postmeister Joseph Roulin (Chris O’Dowd), unverhofft den Auftrag, einen Brief van Goghs an dessen Bruder Theo zu überreichen. Wenig begeistert macht sich Armand auf den Weg zu Theo und muss vor Ort erfahren, dass dieser ebenfalls tot ist. So beschließt der junge Mann mehr über den exzentrischen Maler in Erfahrung zu bringen und ist schon bald fasziniert von van Gogh. Als ihm der Verdacht kommt, dass van Goghs Tod am Ende gar kein Selbstmord war, begibt sich Armand auf die Suche nach der Wahrheit. Dazu befragt er Bekannte, Modelle und Weggefährten des Malers, darunter seinen Farblieferanten Pere Tanguy (John Sessions), seinen Arzt Dr. Gachet (Jerome Flynn) und dessen Tochter Marguerite (Saoirse Ronan). Was ist damals wirklich mit Vincent passiert?
Der Mann mit den feuerroten Haaren und Fieber in seinen Augen
Van Gogh gehört heute zu den bedeutendsten Malern der Moderne. Er malte in den kurzen 8 Jahren, die seine Schaffensphase lediglich umfasste, beachtliche 800 Bilder. Zu seinen Lebzeiten wurde allerdings nur eines verkauft. Ein trauriges Schicksal, dem die meisten Künstler ihrer Zeit erlagen; waren sie doch für die damalige Zeit zu visionär. Heute erzielen van Goghs Werke auf Kunstauktionen zweistellige Millionen Preise.
LOVING VINCENT ist ein Meisterwerk der Animationskunst und als solches hat sich dieser Film meinen allerhöchsten Respekt verdient. Hinzu kommt, dass das Ganze sogar in Spielfilmlänge produziert wurde und nicht als Kurzfilmprojekt abgetan wurde oder auf eine wesentlich kürzere Filmlänge wie 60 – 70 min herunter gebrochen wurde. LOVING VINCENT ist zudem ein Paradebeispiel der internationalen künstlerischen Zusammenarbeit, das zugleich zwei der schönen Künste meisterhaft vereint: die Malerei und den Film. Einen ganz besonderen Zauber verleiht zudem die wunderbare Filmmusik, die von keinem geringeren als Clint Mansell beigesteuert wurde.
Ein (Wahn)Sinniger?
Das größte Manko von LOVING VINCENT sind jedoch die Geschichte und die Charaktere. Der Handlungsstrang, der wohl an einen Thriller erinnern soll, schafft es leider nicht die nötige Spannung über die Filmlänge aufzubauen, die sich sogar trotz der kurzen Laufzeit von lediglich 92 min zeitweise etwas zieht.
Zudem ist Van Goghs sehr markante Pinselführung, die recht unruhig ist, tendenziell eher nur bedingt zur Animation zu empfehlen. So wirken die Totalen durch den harschen Malstil nicht so schön und präzise – dies trifft vor allem auf die Darstellung von Menschen zu. Generell sind die Bilder durch die permanente Veränderung der Striche und die farbenfrohe Gestaltung sehr unruhig, was zuweilen etwas anstrengend für die Augen sein kann. Doch wer Schönes sehen will, der muss auch manchmal etwas für die Kunst leiden! Die Retrospektiven, ergo die Zeit vor Van Goghs Tod, heben sich darstellerisch jedoch vom Rest des Geschehens ab: hier wurde statt der ikonischen Linienführung ein schwarz-weißer und realistischer Malstil gewählt.
Nichtsdestotrotz ist es interessant die Figur Armand dabei zu begleiten, wie er die einzelnen Puzzleteile Van Goghs Lebens bzw. viel mehr Ablebens sammelt und versucht diese zu einem würdigen Bildnis zusammenzusetzen. Leider wird hier die Motivation des Protagonisten nicht ausreichend skizziert und ausgeleuchtet, so dass dem Zuschauer seine eigentliche Triebfeder verborgen bleibt.
Am Ende bleibt das (Ab)leben van Goghs das, was es von Anfang an war: ein Mysterium. Doch so nur bedingt die Figur van Gogh, der Mensch Vincent. Diesem fühlt man sich durch die Detektivarbeit von Armand nun näher und wurde obendrein um einen Meilenstein der Filmgeschichte bereichert: dem ersten, vollständig in Öl gemalte Film der Geschichte.
7,5 / 10
Titel: | Loving Vincent |
Produktionsjahr: | 2017 |
Altersfreigabe: | FSK 6 |
Regie: | Dorota Kobiela, Hugh Welchman |
Cast: | Douglas Booth, Chris O’Dowd, Saoirse Ronan, Jerome Flynn, Eleanor Tomlinson, John Sessions |
Produktionsland: | Großbritannien, Polen |
Länge: | 95 Minuten |
Kinostart: | 28. Dezember 2017 |
Trailer:
Beitragsbild: © Weltkino