Sieben Minuten Nach Mitternacht (2016)
„Der Baum in der Brandung“
Ein schluchzender Kinosaal – und ich mittendrin. Auch ich kämpfte mit den Tränen und verlor den Kampf – absolutes Neuland für mich. SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT trifft so tief ins Herz wie kaum ein anderer Film und ist dazu einer der besten Animationsfilme die ich je gesehen habe. Daher gleich zu Beginn mein wohlwollender Rat: Habt genug Taschentücher parat, ihr werdet sie brauchen.
Der 12-jährige Conor O’Malley (Lewis MacDougall) hat es nicht einfach in seinem Leben. In der Schule wird er gemobbt und verprügelt, seine Eltern sind getrennt – der Vater (Toby Kebbell,) ist mittlerweile von England in die USA gezogen und hat dort eine neue Familie gegründet. Nur er und seine Mutter Elizabeth (Felicity Jones) haben einander noch. Doch seine Mutter ist krank, ihre kurzen Haare, die blasse, fahle Haut und die vielen Medikamente deuten darauf hin, dass sie an Krebs leidet. Conor und seine verhasste Großmutter (Sigourney Weaver) tun auf ihre Art und Weise alles in ihrer Macht stehende um Elizabeth am Leben zu halten. Jedoch verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand Zunehmens, da sie scheinbar auf keine der Therapien positiv anschlägt. Der von Verlustängsten und Albträumen geplagte Conor stürzt sich in die Malerei, bis ihm eines Nachts ein baumartiges Monster (Liam Neeson) erscheint. Diese Kreatur erzählt dem Jungen drei märchenhafte Geschichten – doch die vierte und letzte Geschichte möchte das Monster von Conor selbst hören. Doch was wird die letzte Geschichte beinhalten?
Mein Freund der Baum
Regisseur J. A. Bayona hat etwas schier Unmögliches geschafft: mich zu Tränen zu rühren. Nicht nur mal eine einzige, stille Träne – nein, kleine Bäche flossen mir über die Wange. Und das im Kinosaal – in aller Öffentlichkeit. Ein Umstand den ich per se hasse – doch für SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT lies ich es nur zu gerne geschehen.
Die Buchadaptation ist eine einzige Emotions-Lawine, die völlig in Mark und Bein übergeht, da wahrscheinlich schon ein jeder mit der Thematik konfrontiert wurde – denn A MONSTER CALLS, so der Originaltitel, handelt vor allem vom Loslassen geliebter Menschen und der Angst vor dem Verlust. Kein neues Thema, doch Bayona erzählt dies aus der Perspektive eines Kindes und spielt mit dem Motiv eines imaginären Freundes und zugleich der kindlichen Angst vor Monstern.
Zu alt, um noch ein Kind zu sein – zu jung, um schon erwachsen zu sein
Auf Leinwand gebannte Empathie – das ist SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT. Ein Film, in dem regelmäßig die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen – so wie auch die meisterhaft inszenierten Animationen der drei märchenhaften Geschichten im Watercolor-Stil. Gerade diese brennen sich durch ihre Schönheit ins Gedächtnis des Zuschauers.
Selten konnte man in einem Film derart in die Gefühlswelt eines Charakters eintauchen und so sehr dessen Schmerz nachempfinden, dass es einem das Herz zerreißt – ohne, dass die Filmmacher dabei Hollywood-artig bewusst auf die Tränendrüse drücken wollen. Ganz entscheidend für die emotionale Wuchtigkeit von SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT sind jedoch die herausragenden schauspielerischen Leistungen von Lewis MacDougall und Felicity Jones. Einzig und allein die Rolle des Vaters erscheint wirr und unnatürlich kalt – ein Gegenpol?
Leider vermittelte das Marketing zu dem Film ein völlig falsches Bild. So erinnert der Trailer vor allem an den grausigen BFG – BIG FRIENDLY GIANT und wurde tendenziell auch eher als Kinderfilm vermarktet. Für Kinder ist dieser Film nicht greifbar und nur bedingt geeignet, da er emotional sehr komplex ist.
Abschließend umschließt SIEBEN MINUTEN NACH MITTERNACHT den Zuschauer in all seiner Trauer mit einer wohligen Umarmung und flüstert einem zu, dass alles wieder gut wird – wenn auch mit ein wenig Zeit. Die letzten Tränen wegwischend erhebt man sich aus dem Kinosessel und weiß, dass der Film Recht hat. Ich wünschte ich hätte 100 Jahre – 100 Jahre um Filme wie diesen sehen zu können.
8,5 / 10
Titel: | Sieben Minuten Nach Mitternacht (A Monster Calls) |
Produktionsjahr: | 2016 |
Altersfreigabe: | FSK 12 |
Regie: | Juan Antonio Bayona |
Cast: | Lewis MacDougall, Felicity Jones, Sigourney Weaver, Toby Kebbell, Ben Moor, James Melville, Oliver Steer |
Produktionsland: | Großbritannien, USA, Spanien, Kanada |
Länge: | 108 Minuten |
Kinostart: | 04. Mai 2017 |
Verfügbar auf: | http://amzn.to/2skHo4N* (Blu-Ray) http://amzn.to/2s552y8* (DVD) |
Trailer:
Beitragsbild: © Studiocanal