Kill Billy (2014)
„Rache wird am besten mit Köttbullar serviert“
Ein Norweger dreht einen Film über IKEA – also zumindest ansatzweise. Wer hätte das gedacht? KILL BILLY war für mich als Fan des schwedischen Möbelhauses daher ein beinahe unumgängliches Werk. Und auch Vertreter des skandinavischen Kinos sehe ich mir immer wieder gerne an, ist der eher schwarze und trockene Humor meinem viel näher als der immer wiederkehrenden amerikanischen Witz-Blaupause. Wie gut funktioniert die norwegisch-schwedische Rachestory?
Harold Lunde (Bjørn Sundquist) ist norwegischer Möbelhändler. In seinem Betrieb werden noch Qualitätsprodukte hergestellt – doch das scheint nicht mehr zeitgemäß. Die Leute wollen billige Plastikstühle und Inbusschlüssel. Unheilvoll scheinen die vier gelb-leuchtenden Lettern auf blauem Grund durch sein Schaufenster. Grund genug in den nahe gelegenen Wald zu gehen und seiner Wut an einem einsamen Kühlschrank Luft zu machen. Der Konkurrent ist übergroß und die Pleite schein unabwendbar. Schon bald steht Harold in seinem leeren Geschäft und auch ihr Haus müssen Harold und seine Frau Marny verlassen – nicht einmal über Weihnachten dürfen sie in ihrem Heim verbleiben. Hinzu kommt, dass die Demenz seiner Frau zunehmend schlimmer wird, sodass die bisherige Pflege Zuhause ebenfalls nicht mehr möglich ist. Schweren Herzens beschließt Harold seine Frau in einem Altersheim unterzubringen – diese macht jedoch ihr Versprechen wahr lieber zu sterben als in ein Heim zu gehen.
So steht Harold nun allein vor dem Trümmerhaufen seiner Existenz und will alles verbrennen, was davon noch übrig ist. Einschließlich seiner selbst. Möbelpolitur, Streichhölzer … Feuer frei! Jedoch hat er da die Rechnung ohne die Sprinkleranlage gemacht. In eben diesem Moment wird Harold klar: IKEA ist an all seinem Unglück schuld und fasst den Entschluss Ingvar Kamprad zu entführen – der wunde Punkt seines verhassten Feindes. Doch zunächst macht er sich auf den Weg zu seinem Sohn Jan (Vidar Magnussen) nach Oslo. Jan ist mittlerweile arbeitslos und auch noch geschieden – generell haben sich Vater und Sohn stark voneinander entfremdet. Da hilft auch das gemeinsame ballern am Schießstand Marke Eigenbau nichts. Trotzdem fasst sich Harold ein Herz und erzähl seinem Sohn von seinen Kidnapping Plänen – und wird dafür prompt ausgelacht. Doch Harold macht Ernst und klaut seinem Sohn einen Revolver. Auf eigene Faust macht er sich auf den Weg nach Schweden. Während seiner Kamikaze-Mission trifft er dabei auf die 16-jährige Ebba (Fanny Ketter), die sich mit ihrer Dauer-Depressiven-Party-Mutter herumärgern muss. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten, gelingt es Harold dann doch endlich Ingvar Kamprad (Björn Granath) einzufangen. Nur was nun?
Lebst du noch, oder war’s das schon?
Es ist ohne Frage amüsant, wenn Harold durch das Haus seines Sohnes wandert, das beinahe komplett mit IKEA Möbeln ausgestattet ist. Hier bekommt er die Möglichkeit die Konkurrenzprodukte genauer unter die Lupe zu nehmen. Sein Urteil: alles Schrott! Um das zu beweisen wird sich der Inbusschlüssel aus der Besteckschublade genommen und es werden Schrauben gelockert, bis es ein Beistelltischchen in die Knie zwingt.
Doch Harold und sein Erzfeind Kamprad sind sich nicht unsympathisch. Im Gegenteil – sie sind sich sogar recht ähnlich. Ein Umstand, den man als Zuschauer bereits nach kurzer Zeit bemerkt. Harolds Wut verraucht. Leider liegt hier die Krux des Films. Die Konstellation erreicht schnell ihren Sättigungspunkt. Harold weiß nichts so recht mit seiner Geisel anzufangen, als er ihn doch endlich hat – und auch Regisseur Gunnar Vikene weiß die Konstellation nicht wirklich zu nutzen.
Doch davor kann man sich durchaus über den wunderbaren Schlagabtausch zwischen dem Idealisten Harold und dem Geschäftsmann Kamprad amüsieren. Dieser wird in KILL BILLY ordentlich auf die Schippe genommen – jedoch spielt die Figur leider nur die Medienversion des Möbel-Tycoons dar. Wer sich ein wenig mit dem Unternehmen und auch mit dessen Gründer beschäftigt hat, wird hier kaum über die dargestellten Marotten lachen können.
Von nordschwedischen Meisterinnen und arbeitslosen Journalisten
Doch so wirklich böse will Vikene in KILL BILLY anscheinend nicht werden. Kamprad geht es nicht ernsthaft an die Wäsche. Öffentliche Kritikpunkte wie Kinderarbeit und Kamprads nationalsozialistische Vergangenheit werden kurz angeschnitten. Es fließt auch kein Blut. Der Film folgt viel mehr dem Schema F einer David gegen Goliath Geschichte und streut den derzeit beliebten Typus des alten, schrulligen, einsamen Greises aus dem Norden ein. Auch ein paar Roadmovie Elemente lassen sich finden. Doch fehlt in der Gänze leider an Biss (Assoziationen zu künstlichen Gebissen und dem Alter unbeabsichtigt). Da hilft auch die charmant-resolute und doch verletzliche Figur der Ebba als Co-Entführerin und Sidekick nicht weiter.
Der Titel versucht zu vereinen, was nicht zusammengehört: Quentin Tarantinos Rachestory “Kill Bill” und den IKEA-Kassenschlager – das „Billy“ Regal. Doch mit der Brutalität und blutigen Konsequenz Tarantinos hat Kill Billy rein gar nichts zu tun. Vielmehr siecht der Film über seine dennoch kurzweilige Laufzeit von 88 Minuten besonders im letzten Drittel vor sich hin.
KILL BILLY ist ein Crowd-Pleaser für All-Ager geworden, aber leider keinesfalls ein Film, den man gesehen haben muss. Doch er zeigt, dass es auch im Alter noch nicht zu spät ist für Tatendrang und verrückte Ideen. Dass das Leben weitergeht. IKEA-Fans und die des Skandinavischen Kinos dürfen bei KILL BILLY daher ruhig einen Blick riskieren. Denn irgendwie hat sie schon etwas: die Idee, dass Ingvar Kamprad, mittlerweile 90 Jahre, von einem verbitterten, alten Mann verschleppt wird.
5,5 / 10
Titel: | Kill Billy (Her er Harold) |
Produktionsjahr: | 2014 |
Altersfreigabe: | FSK 6 |
Regie: | Gunnar Vikene |
Cast: | Bjørn Sundquist, Fanny Ketter, Björn Granath, Lena-Pia Bernhardsson, Olaf Heggdal, Samuel Hellström, Andreas Hyttste |
Produktionsland: | Norwegen |
Länge: | 88 Minuten |
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Trailer:
Beitragsbild: © NFP
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