Fikkefuchs (2017)
„Niveaulimbo unter der Gürtellinie“
Empörung durchzog Teile des Landes, als die Filmposter des Filmes FIKKEFUCHS begannen die Flächen deutscher Innenstädte zu zieren. Plakatierungsverbote in München und Frankfurt. Verweigerung von Förderungsmitteln. All das hat FIKKEFUCHS einen gewissen Ruf eingehandelt, der dem Film vorauseilt. Doch geschadet hat es diesem anscheinend nicht – zum Glück.
Rocky (Jan Henrik Stahlberg) – ein abgehalfterter 50 Jähriger – war einst ein echter Frauenheld und der Stecher von Wuppertal, zumindest sieht er das so. Und die Gudrun, die auch. Doch seine besten Tage liegen mittlerweile längst hinter ihm. Das hält den Möchtegern-Casanova jedoch nicht davon ab, weiterhin jungen Frauen nachzujagen. Als jedoch eines Tages ein junger Mann namens Thorben (Franz Rogowski) vor seiner Tür steht und ihm erklärt, dass er sein Sohn sei, muss er seine Verführungskünste noch einmal auspacken: Thorben will nämlich beigebracht bekommen, wie man Frauen aufreißt und ins Bett bekommt. Also zieht das frisch gebackene Vater-Sohn-Gespann los, und kommen sich dabei etwas näher.
Natürliche Se(x)lektion
Der gemeine Fikkefuchs ist eine gar nicht mal so seltene Art, die zudem auch nicht vom Aussterben bedroht ist. Diese keineswegs scheue Spezies steht einem sich stets wandelnden Habitat gegenüber. Frauen stellen das Objekt der Begierde für den Fikkefuchs dar, denn am wohlsten fühlt sich der Fikkefuchs zwischen den Beinen der Frau. Individuen, die sich nicht an die zeitgenössischen Gegebenheiten der Balz anpassen, werden von den Frauen mit Nichtachtung gestraft und sind verloren. Dabei scheinen Emanzipation und Feminismus die natürlichen Fressfeinde des Fikkefuchs zu sein.
Von Würstchen und Avocados
Eben dieser Art gehören Rocky und auch sein Sohn Thorsten … pardon … Thorben an. Letzterer ist gerade aus der geschlossenen Psychiatrie geflohen, in der er gelandet ist, weil er eine Kassiererin bei Rossmann zu vergewaltigen versuchte. Dabei wollte die das doch, wenn sie ihre Avocados (Brüste) so schön in der Auslage (BH) präsentiert. Und auch sonst ist Thorsten ziemlich das, was man unter notgeil verstehen würde: Statt Netflix and chill stehen bei dem jungen Mann eher Porn Hub und wichsen auf dem Tagesplan. Zudem betreibt er einen YouTube Kanal namens „Swordfish“ auf dem er neben seinem Sexismus Tourette beispielsweise dokumentiert wie er Frauen öffentlich nachstellt.
Sein Vater Rocky weiß von all dem nichts – interessieren tut es ihn jedoch ebenso wenig. Dieser sehnt sich viel mehr zurück nach der Zeit in der er mit 17 in die schöne Schwedin Freya verliebt war und auf der griechischen Insel Ikaria als Rettungsschwimmer gearbeitet hat.
Und auch wenn sich Rocky bis heute seiner Sache bei der Frauenwelt sicher ist und derzeit an seinem E-Book „Memoiren eines Frauenverstehers“ schreibt – selbst an ihm haben die Zeichen der Zeit ihre Spuren hinterlassen: Wohlstandsbauch, gräulicher Drei-Tage-Bart und ein kahler Hinterkopf sind die Folge.
Hick-Fick-Cha-Cha-Cha
Schon der Herbert fragte sich einst „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Das Thema könnte heutzutage kaum aktueller sein. Was ist männlich, was weiblich? Wer ist das schöne und wer das starke Geschlecht? Darf überhaupt in solchen Schubladen gedacht werden?
Das Ganze ist ein einziges gesellschaftliches Minenfeld.
Männer fühlen sich heutzutage oftmals verunsichert – wissen nicht mehr was sie dürfen und was nicht. Konservative Erziehung und klassische Rollenvorstellungen stehen dem heutigen Gesellschaftsbild von absoluter Gleichstellung und dem für viele übermächtigen Feminismus gegenüber. In FIKKEFUCHS wird eben dieser Feminismus bitterböse aufs Korn genommen – Frauen mutieren zu Objekten, kaum eine von ihnen trägt im Film überhaupt einen Namen oder spielt eine nennenswerte Rolle.
FIKKEFUCHS n eine für viele Menschen unbequeme Sichtweise ein und zeigt Männer als das eigentlich schwache Geschlecht, die nie gelernt haben über ihre Bedürfnisse und Befindlichkeiten zu sprechen, und sich im Zuge der voranschreitenden Emanzipation ins Hintertreffen geraten fühlen.
FIKKEFUCHS ist ein filmischer Vorschlaghammer – oder in diesem Fall eher ein Vorschlag-Gummidildo. Ein unbequemer Film, der den Zuschauer gleich auf mehreren Ebenen irgendwo zwischen Ekel und Skurrilität fordert. Oftmals sieht man Dinge oder Menschen, die man so nie sehen wollte.
Doch FIKKEKUCHS ist zugleich endlich wieder ein mutiger Film des jungen deutschen Kinos. Hinter dem bitterbösen aber auch Sex-Pipi-Kacka Humor steckt zudem mehr als man zunächst meinen mag: Zwei Figuren, die eine Krise ihrer Maskulinität durchleben – Vater und Sohn, die in ihrer sexuellen Frustration zueinander finden – Charaktere die kaum ähnlichere Probleme haben könnten und doch von Grund auf verschieden agieren.
Brachialsatire vom feinsten
Jan Henrik Stahlberg und vor allem Franz Rogowski spielen fantastisch und vor allem konsequent. Letzteren hatte ich nach seinen Auftritten in HAPPY END und FIGAROS WÖLFE beinahe etwas abgeschrieben – in FIKKEFUCHS findet er jedoch zu seiner alter Stärke zurück. Sowohl Stahlberg als auch Rogowski sind sich bei der Darstellung der Charaktere für nichts zu schade.
Der Film experimentiert zudem mit einer gewissen Billig-Ästhetik (Handyvideos, Pornoschnipsel) – was zu großen Teilen natürlich dem Status der Low-Budget-Produktion geschuldet ist. Diese Stilmittel unterstreichen zusätzlich den Generationskonflikt zwischen Rocky und Thorben, der sich durch Wortwahl im Drehbuch, musikalische Untermalung aber eben auch durch die Wahl der Medien zusätzlich bemerkbar macht.
Was FIKKEFUCHS jedoch zum Verhängnis werden könnte ist, dass der Humor durchaus massentauglich sein könnte, aber in einem Film platziert ist, der sich eben nicht an die Masse richtet. Zudem spielt der Film mit der Grenze des Zeigbaren und schert sich einen Scheißdreck um Konventionen oder Tabus. Doch die Vergewaltigung, die am Anfang von Thorbens Geschichte steht, die geht dann wohl doch zu weit. Anders als bei IRREVERSIBEL beweist man an dieser Stelle keine Eier – hier müssen Andeutungen reichen.
An alle zartbeseelten Feministen und Feministinnen, die sich schnell auf den Schlips oder [hier äquivalentes Damen Accessoire einfügen] getreten fühlen: Wem das Filmplakat schon zu sexistisch ist und dem der Trailer bereits zuwider ist, der/die sollte unter keinen Umständen einen Fuß in ein Kino setzen.
Für alle anderen ist FIKKEFUCHS ein Film mit scharfem satirischen Blick und schonungsloser Ehrlichkeit, der nur zu oft die Grenzen des guten Geschmacks und der vermeintlichen „political correctness“ überschreitet. Dieser kann dabei jedoch höllisch viel Spaß machen, wenn man dazu bereit ist, sich auf die vorgegebenen Prämissen einzulassen und den Film nicht allzu ernst zu nehmen. Denn ein bisschen Niveaulimbo hat uns allen von Zeit zu Zeit noch nie geschadet.
7,5 / 10
Titel: | Fikkefuchs |
Produktionsjahr: | 2017 |
Altersfreigabe: | FSK 16 |
Regie: | Jan Hendrik Stahlberg |
Cast: | Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Susanne Bredehöft, Thomas Bading, Jan Pohl, Hans Ullrich Laux, Roald Schramm, Saralisa Volm |
Produktionsland: | Deutschland |
Länge: | 100 Minuten |
Kinostart: | 16. November 2017 |
Trailer:
Beitragsbild: © Alamode