Die Schöne und das Biest (2017)
„Opulentes Nostalgiefest“
Es ist kein Geheimnis, dass ich den Disney Realverfilmungen mehr als kritisch gegenüber stehe. Lange habe ich geweigert diese überhaupt zu sichten. Im Zuge der Vorbereitungen für die diesjährigen Oscars habe ich mich dann doch an THE JUNGLE BOOK gewagt – und wurde wie erwartet enttäuscht. Nun ging es ans Eingemachte: die Realverfilmung meines Lieblings-Disneyfilms – DIE SCHÖNE UND DAS BIEST …
Die schöne Belle (Emma Watson) lebt mit ihrem kauzigen Vater, dem Erfinder Maurice (Kevin Kline) in einem kleinen französischen Städtchen. Dabei hebt sich Belle wesentlich von den anderen Stadtbewohnern ab. Sie ist gebildet, wissbegierig und träumt von einem Leben außerhalb der Provinz. Dass es sich bei Belle um eine ganz besondere Frau handelt, entgeht auch dem selbstverliebten Gaston (Luke Evans) nicht, der unentwegt um ihre Gunst wirbt.
Eines Tages verirrt sich Belles Vater auf einer Reise in den Wäldern und gelangt zu einem scheinbar verlassenen Schloss. Als er dort eine Rose als Mitbringsel für seine Tochter pflückt, wird dieser von einem Biest (Dan Stevens) gefangen genommen. Belle kommt ihrem Vater zu Hilfe und nimmt seinen Platz als Gefangene ein. Doch im Laufe der Zeit merkt Belle, dass sich hinter der grimmigen Gestalt doch mehr verbirgt als zunächst gedacht …
Erneut zu Gast
DIE SCHÖNE UND DAS BIEST ist das erste waschechte Musical in der bisherigen Adaptationswelle von Disney. Man merkt, dass es eine Hommage an den gezeichneten Disneyklassiker sein sollte. Größtenteils wurden Szenen und Kameraeinstellungen minutiös 1:1 aus der hauseigenen Vorlage übernommen. Nichtsdestotrotz wurde die Geschichte um zusätzliche 45 Minuten aufgebläht.
Hier wurden neben Evergreens wie „Unsre Stadt“, „Sei hier Gast“ oder „Die Schöne und das Biest“ auch neue, eher uninspirierte und Songs zur Neuauflage beigesteuert, die jedoch nicht ansatzweise an das Ohrwurm-Potential der altbewährten Titel heranreichen. Man hofft gerade zu, dass diese Stücke möglichst schnell vorübergehen. Darüber hinaus wurden völlig neue Inhaltsstränge zur Geschichte hinzugefügt, die sowohl Belle als auch dem Biest wohl mehr Tiefe verleihen sollten. Diese hätten sich die Macher getrost sparen können, denn die Szenen wirken aufgesetzt und ziehen den Film unnötig in die Länge.
Kalkuliertes Risiko
Eine willkommene zeitgenössische Anpassung besteht jedoch im Charakter der Belle, die in dieser Verfilmung noch um einiges emanzipierter dargestellt wird als in der gezeichneten Vorlage. Dieser Umstand ist zu einem großen Teil wohl dem Einfluss von Emma Watson zu verdanken, die maßgeblich an der Formung des Charakters mitgewirkt hat und eindeutig prädestiniert für diese Rolle war. Eine Disney-Prinzessin mit feministischem Anspruch, eine Figur zu der neue Generationen junger Mädchen aufblicken können.
Luke Evans merkt man sichtlich an, dass er Spaß an der Rolle des Gaston hat. Dieser wird in der Realverfilmung sogar noch verachtenswerter gezeichnet als ohnehin schon – gekonnt wird der Narzissmus des Schönlings auf die Spitze getrieben. Die Figur seines Handlangers LeFou (Josh Gad), sorgte bereits vor Kinostart für Furore: es ist die erste offen homosexuelle Figur in einem Disney Märchen. Dieser Umstand wird zwar mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit erzählt, jedoch auch so beiläufig, dass es einem beinahe entgeht. Man merkt: so ganz traut sich Disney hier immer noch nicht, eine queere Figur einzubauen, aber für das Filmstudio ist LeFou bereits ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Biest ist wenig leider wenig „angsteinflößend“, was vor allem an den weichen, sehr menschlichen Gesichtszügen liegt – das Biest muss ja als Love-Interest durchgehen. Auch der Gesang des Biests (Originialfassung) war wenig ansprechend. Doch als das Biest sich am Ende in den Prinzen verwandelt, dann wirkt diese Transformation ebenso befremdlich wie im gezeichneten Original.
Verschlimmbersserung eines Klassikers
Die hauptsächliche Daseinsberechtigung dieses Films liegt in den wunderbaren Kostümierungen und der opulenten Ausstattung sowie der technischen Umsetzung bzw. der Animation. Auch die durchaus passende Wahl des Casts sollte hier lobend erwähnt werden. Doch eben durch diese Opulenz und den visuellen Prunk bleiben echte Emotionen auf der Strecke. Der Film wirkt über weite Strecken zu steril, aalglatt und durchkalkuliert. Das Setting ist zudem gekünstelt frankophon und wird in gängige, leicht verdauliche Stereotypen gekleidet.
Resümierend lebt DIE SCHÖNE UND DAS BIEST vom Mythos des Originals und der Nostalgie-Begierde derer, die mit diesem Film aufgewachsen sind. Der Film zitiert, kopiert, schafft es jedoch nicht selbst etwas Denkwürdiges hinzuzufügen, weil er es nicht wagt, aus dem Schatten des übergroßen Vorbilds herauszutreten. Als der Film dann mit den Credits endet – ein letzter Hieb in die Magengrube: uns strahlen übergroße Charakterbilder in Überblenden entgegen, die sehr stark an einschlägige TV-Schmonzetten der Öffentlich-Rechtlichen erinnern.
Ich war hier nicht sonderlich gern Gast.
5,5 / 10
Titel: | Die Schöne und das Biest (Beauty and the Beast) |
Produktionsjahr: | 2017 |
Altersfreigabe: | FSK 6 |
Regie: | Bill Condon |
Cast: | Emma Watson, Luke Evans, Dan Stevens, Ewan McGregor, Emma Thompson, Stanley Tucci, Ian McKellen, Josh Gad |
Produktionsland: | USA |
Länge: | 129 Minuten |
Kinostart: | 16. März 2017 |
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Trailer:
Beitragsbild: © Walt Disney Germany
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Danke für deine ehrliche Review. Es ist ja ein relativ großer Hype entstanden, größer als bei den bisherigen Realverfilmungen von Disney-Meisterwerken, deshalb sind die Erwartungen auch entsprechend hoch. Ich habe ihn bis jetzt noch nicht gesehen, aber habe mir schon gedacht, dass er mit über 2 Stunden bestimmt zu lang geraten ist. Aber dass die Musikstücke echt so Überhand nehmen.. puh. Vielleicht kommt es aber auch drauf an, mit welcher Erwartungshaltung man in den Film geht – wenn ich nach deiner Review gehe, sind Musicalfans sicher gut aufgehoben, oder? Und Besucher, die absolute Innovation erwarten, dann eher weniger.
Wie gesagt, danke für deine Review – ich werde mir den Film noch ansehen und bin schon gespannt, wie ich darüber denken werde 🙂
Hey Janina!
Danke für deinen Kommentar 🙂
Natürlich ist das wie so vieles Geschmackssache. Ich selbst bin von Animationsfilmen – wie wir sie heute kennen – noch nicht von Herzen überzeugt. Schreibe mir doch gerne wie du den Film fandest!
Liebe Grüße