Der Bunker (2015)
„Klaus-trophobisch“
DER BUNKER feierte auf der 65. Berlinale Premiere und war im Sommer ebenfalls auf dem Fantasy Film Fest zu sehen, wo ich ihn leider verpasst habe. Umso schöner, dass es der Film nun auch in vereinzelte Programmkinos schafft. Das Spielfilm-Debüt von Regisseur Nikias Chryssos ist eine herrlich verrückt-kritische, aber sehr ansehnliche, deutsche Gesellschaftssatire geworden, die man nicht einmal in eine Genre-Schublade zu stecken vermag.
Ein namenloser Student (Pit Bukowski) stapft durch den schneedurchfluteten Wald zu einem Bunker, seinem neuen Heim – zumindest auf Zeit. Er hat sich bei der dort lebenden Familie als Untermieter einquartiert, um sich hier in aller Abgeschiedenheit seiner wissenschaftlichen Arbeit zu widmen. Die doch sehr merkwürdig anmutende Familie empfängt den Akademiker mit, wenn auch leicht knauseriger, Gastfreundschaft.
In dieser unterirdischen Behausung wird der kleine Klaus (Daniel Fripan) von seinem Vater Tag ein Tag aus unterrichtet. Doch das Blatt wendet sich und so wird der Student kurzerhand zum neuen Hauslehrer des Jungen ernannt. Er soll dazu beitragen, dass Klaus eine umfassende Bildung erhält, denn seine Eltern (Oona von Maydell, David Scheller) haben große Pläne mit ihrem Sohn: Präsident soll er einmal werden. Schon bald entwickelt sich eine besondere Beziehung zwischen dem überforderten Mannes-Kind und dem Studenten. Eine Eskalation der Situation scheint unabwendbar, als der Akademiker beginnt sich mit Klaus gegen seine Eltern zu verbrüdern.
Hauptstadt von Nigeria? – Mamachusetts!
„Ein fantastisches Ei. An der Außenseite ist es leicht angeknuspert und tangiert ins Grillte – im Inneren hingegen pulsiert es geradezu lebensbejahend. Das ist Perfektion!“ So schwadronisch philosophiert der Vater über ein Spiegelei am Essenstisch zu Beginn des Films. Der Vater, der mich persönlich, wahrscheinlich durch das surreal anmutende Setting, an einen spießbürgerlichen Salvador Dalì erinnert, hält sich für besonders eloquent und gebildet.
Dann ist da noch die bleiche, stark leistungsorientierte Mutter, zu der „Heinrich“, die Stimme eines Herrschers aus einer hochentwickelten Galaxie, spricht. Er wüsste was das Beste für ihren Sohn ist und gibt durch eine Wunde an ihrem Bein dämonisch-klingende Erziehungstipps.
Dieser Aspekt der Groteske ist mir dann doch etwas zu weit hergeholt und entbehrt einer konsistenten, logischen Verknüpfung mit der Handlung. Darüber hinaus treibt die Mutter mit bizarren Säugungen und Intimitäten den Studenten als Gegenleistung zu abstrusen Höchstleistungen – so füllt der, zur Prokrastination quasi gezwungene, Student in Ekstase beim Sex mit ihr Seite um Seite für seine wissenschaftliche Abhandlung.
Geburtstags-Rotkäppchen
Besonders hervorzuheben ist die Leistung Daniel Fripans als Klaus. Schon nach kurzer Zeit vergisst man, dass es sich bei dem Jungen im Matrosenanzug oder quietsch-buntem Bommel-Pulli um einen ausgewachsenen Mann handelt. Das schüchterne, naive Verhalten des Jungen ist urkomisch und gipfelt beispielsweise in einem „Happy Birthday“ Ständchen à la Marilyn Monroe, das er sich anlässlich seines eigenen Geburtstags selbst singt – leichter, lasziver Haucher inklusive. Dabei kann es während DER BUNKER durchaus zu einer gefühlten Wahrnehmungsverschiebung bezüglich der Größenverhältnisse des Settings und der Protagonisten kommen.
Der Film ist ein filmisches Kabinett der Abstrusitäten und eine gänzlich andere Coming of Age-Geschichte dazu, die Regisseur Nikias Chryssos hier kunstvoll inszeniert hat. DER BUNKER ist eine bis auf die Spitze getriebene, absurde Gesellschaftssatire, die den Aspekt der heutigen Leistungsverbissenheit von Eltern mit detailreichem Witz beleuchtet. Dieser Film bleibt mit seiner herrlichen Skurrilität definitiv im Gedächtnis. Leuten mit einem Faible fürs Bizarre kann ich daher DER BUNKER wärmstens ans Herz legen und möchte so viel Mut im deutschen Film belohnen:
8 / 10
Titel: | Der Bunker |
Produktionsjahr: | 2015 |
Altersfreigabe: | FSK 12 |
Regie: | Nikias Chryssos |
Cast: | Pit Bukowski, Daniel Fripan, Oona von Maydell, David Scheller |
Produktionsland: | Deutschland |
Länge: | 85 Minuten |
Kinostart: | 21. Januar 2016 |
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Trailer:
Beitragsbild: © Bildstörung | Drop-Out Cinema
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