Atomic Blonde (2017)
„Neon-Blue Monday“
Neonlicht. Treibender Kult-Soundtrack. Knackige Kampfszenen. Hochkarätiger Cast. Die ersten Einblicke zu ATOMIC BLONDE waren mehr als vielversprechend, weshalb der Film auch prompt zu einem meiner meisterwartesten Filme des Sommers aufstieg. Warum ATOMIC BLONDE jedoch leider hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist, verrate ich euch in meiner Review.
Berlin, November 1989: Kurz vor dem Fall der Berliner Mauer wird ein MI6-Offizier tot aufgefunden. Die erfahrene MI6-Agentin Lorraine Broughton (Charlize Theron) wird nach Berlin entsendet, um den Mord des getöteten Undercover-Agenten zu untersuchen. Außerdem erhält sie den Auftrag, ein wichtiges Dokument sicherstellen, das die Identitäten aller Doppelagenten aus Ost- und Westberlin enthält und das der Tote bei sich getragen haben soll. Um ihre Mission erfolgreich zu meistern, muss sich Lorraine jedoch widerwillig mit David Percival (James McAvoy), dem Leiter der Berliner MI6-Niederlassung, zusammenschließen.
Hol das Gartenschlauch-Lasso raus
ATOMIC BLONDE versprach die Fortsetzung zeitgenössischer Kino-Trends: Neon-Optik wie bei Nicolas Winding Refn, kultiger Evergreen Soundtrack à la GUARDIANS OF THE GALAXY, aufwändig-durchchoreographierte Actionsequenzen wie bei JOHN WICK und eine starke, weibliche Protagonistin im Mainstream-Kino wie zuletzt bei WONDER WOMAN.
Diese Versprechen kann ATOMIC BLONDE größtenteils halten, wenn auch nicht in dem Maße, wie man es sich erhofft hatte. Aber nun peu à peu mehr dazu. Der Film ist eine verführerisch leuchtende, doch damit auch äußerst realitätsentrückte Spionage-Charade zu Zeiten von Glasnost und Perestroika – eine Thematik, die zuletzt z. B. durch den Agententhriller BRIDGE OF SPIES Anklang beim Publikum fand. Doch anders als dort, wird bei ATOMIC BLONDE wenig auf eine glaubwürdige Rekonstruktion der historischen Gegebenheiten gesetzt. So erstrahlen in Szenen am Zoo beispielsweise die heutigen Leuchtreklamen. Regisseur David Leitch, der selbst den Großteil seiner Filmkarriere als Stuntman zubrachte und ebenfalls für den Action-Kracher JOHN WICK verantwortlich war, hat sich auch dieses Mal nicht die knüppelharte Action-Butter vom Brot nehmen lassen ein Feuerwerk der fliegenden Fäuste zu veranstalten.
In Charlize Theron hat er dabei das perfekte weibliche Pendant zu seinem Hunde rächenden Actionhelden gefunden. Therons Darstellung ist verdammt cool und trägt den Film maßgeblich. Enttäuschend ist dabei jedoch, dass es der Hauptfigur Lorraine und auch anderen Akteuren vollkommen an einer Backstory fehlt. Darüber hinaus wird dem Charakter der Lorraine im wahrsten Sinne ihrer Schlagkraft beraubt, indem diese im Film oftmals als Futter für Männerphantasien benutzt wird: nackte Haut, heißer Lesbensex, gierende Kameraeinstellungen, bei denen die Linse unerbittlich auf in Neonlicht gehüllte weibliche Körper hält.
99 Neonröhren
Neon statt DDR-Einheitsgrau. Das ist die Devise bei ATOMIC BLONDE. Der Film basiert zudem auf der Graphic Novel „The Coldest City“. Eine Tatsache, die man ATOMIC BLONDE auch deutlich anmerkt: denn der Fokus des Filmes liegt nicht auf der Story – sozusagen der „Novel“ – sondern auf der visuellen Umsetzung. Diese Cinematographie ist jedoch um so schöner und wird zusätzlich durch einen treibenden, coolen Kult-Soundtrack aus 80er Evergreens unterstützt. Dieser wirkt leider oftmals eher fehlplatziert und überspitzt. Statt als akustischer Untermalung zu dienen, wirken einige Songs sogar beinahe federführend – so als sei die Szene extra für einen bestimmten Song geschrieben worden.
Das große Manko von ATOMIC BLONDE ist und bleibt jedoch leider eine völlig wirre und unnötig auf mehrfache Plot-Twists ausgerichtete Story. Die Motivationen der agierenden Charaktere bleibt dabei völlig auf der Stecke. Darüber hinaus sind viele der Schauspieler lediglich eine Ansammlung großer Hollywood-Namen, denen es wie schon der Protagonistin an Tiefe fehlt und auch nicht in Erinnerung zu verbleiben mögen. Äußerst schade, da auf der Weltpremiere deutlich wurde, dass es sich bei ATOMIC BLONDE vor allem für Charlize Theron um ein Herzensprojekt handelte.
Letztendlich hat der Film zu viel gewollt und ist unter dem Strich eher eine hübsche, wasserstoffblonde Bombe ohne Durchschlagskraft. Doch warum kann man ATOMIC BLONDE dennoch eingeschränkt empfehlen? Der Film ist für Freunde des reinen Actionkinos definitiv einen Blick wert um sich im Bilder- und Musikrausch im Kinositz zurückgelehnt berauschen zu lassen.
Achja, fast vergessen: Til Schweiger spielt übrigens auch mit – jedoch recht kurz. Ob euch nach dieser Information zum Lachen oder zum Weinen zumute ist, liegt letzten Endes aber bei euch.
6 / 10
Titel: | Atomic Blonde |
Produktionsjahr: | 2017 |
Altersfreigabe: | FSK 18 |
Regie: | David Leitch |
Cast: | Charlize Theron, James McAvoy, Sofia Boutella, John Goodman, Bill Skarsgård, Toby Jones, Roland Møller, Til Schweiger |
Produktionsland: | USA |
Länge: | 115 Minuten |
Kinostart: | 24. August 2017 |